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Der Niedergang des Ottenshofes

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Die Frage, warum der Ottenshof versteigert werden musste, ist nicht leicht zu beantworten. Jahrhundertelang war der Hof als kirchliche Obödienz überlebensfähig gewesen und hatte vermutlich dem Domkapitel etliches abgeworfen. Mit der Säkularisation musste nun der Hof die Existens ohne kirchlichen Hintergrund sichern. Das war nach den vielen Kriegen sicherlich nich leicht. Die preussische Steuer statt des kirchlichen Zehnten war sicherlich auch keine Verbesserung.

Aber es gab auch ganz andere Einflüsse. Im April 1815 brach der Vulkan Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa aus. 10.000 Menschen kamen beim Ausbruch ums Leben. Über 80.000 starben durch Flutwellen und Krankheiten oder Hunger. Der Tambora hatte bei seinem Ausbruch fast 100 Kubikkilometer vulkanischen Materials herausgeschleudert. Die Sonne wurde verdunkelt und es kam zu extremen Temperatur- und Klimaschwankungen weltweit.
In Europa wurdedas Frühjahr 1816 kühl und nass, die Ernteerträge gingen um ein Drittel zurück. Goethe notiert am 28. Juni 1816 in sein Tagebuch: „Erster schöner Tag“, da war bereits das Jahr halb vergangen. Da während der gerade beendeten napoleonischen Feldzüge fast alle staatlichen Getreidevorräte verbraucht worden waren, explodierten die Getreidepreise, in manchen Gegenden stiegen sie auf das Dreifache. Viele Menschen hungerten. Kinder und Jugendliche blieben kleinwüchsig, das Normalmaß für Männer betrug zehn Jahre nach dem fernen Vulkanausbruch 1,64 Meter.
Erschwert wurde die Hungersnot durch miserable Transportwege und Binnenzölle. Nachdem 1817 zahlreiche Getreidelieferungen im Morast steckengeblieben waren, wurde vielerorts mit der Befestigung von Straßen begonnen. Preußen hob zur Erleichterung des Warenaustausches die Binnenzölle auf, in ganz Deutschland setzte eine Erneuerung der Landwirtschaft ein. Binnen kurzem wurde die weniger klimaempfindliche Kartoffel zum Hauptnahrungsmittel.
Im stark betroffenen Württemberg initiierte Wilhelm I. 1817 die Gründung eines landwirtschaftlichen Vereins, dessen Zentralstelle ab 1818 jährlich ein landwirtschaftliches Fest mit Wettbewerben veranstaltete, das heutige Cannstatter Volksfest. Königin Katharina plante und leitete den Wohltätigkeitsverein, der ab 1817 als halbstaatliche Organisation Funktionen vergleichbar einer innerstaatlichen Entwicklungshilfe, außerdem der Hunger- und Katastrophenhilfe übernahm und durch den wiederum 1818 die Württembergische Sparkasse gegründet wurde. Ebenfalls 1818 gründete Wilhelm eine landwirtschaftliche Unterrichts-, Versuchs- und Musteranstalt, heute die Universität Hohenheim.
Der Chemiker Justus von Liebig wurde durch Hungersnöte zu seinen Untersuchungen über die Bedingungen des Pflanzenwachstum angeregt. Dazu entwickelte er die Organische Chemie und führte die Mineraldüngung ein, die zu einer Steigerung der Erträge der Landwirtschaft führten.
Auch die Entwicklung der Draisine, eines Vorläufers des Fahrrades, geht auf die Hungersnot und das Pferdesterben nach der Tambora-Eruption zurück.
Und es lassen sich sicherlich noch weitere Folgen finden.
Viele Ortschroniken dieser Gegend berichten in der Folgezeit des Vulkanausbruchs von Ernteeinbussen.
So z. B. die Chronik von Holtheim für 1815: “Dieses Jahr wurde durch einen entstandenen Mangel an Brod und Saatkorn merkwürdig, so daß eine hochlöbliche Regierung sich bewogen fand, 2/3 von der Grundsteuer zu erlassen.” 1816: “Der ganze Sommer zeichnete sich durch Regen und Kälte aus, so daß die Früchte nicht zur Reife gedeihen und sowohl unzeitig als naß eingescheuert wurden.“ 1817: “Die durch die vorjährige Miß-Erndte entstandene Hungersnoth war schon früh im Sommer fühlbar, so daß manche arme Familie sich von Kräutern und Wurzeln ernähren mußten.”
Die Kirchborchener Chronik meldet für den 12. Mai 1816 Schnee und in der Nacht vom 14. auf den 15. Mai Frost. Die Folgen der Mißernte sind auch hier lange zu spüren.
Die Holtheimer Chronik meldet für 1820 und 1821 ebenfalls schlechte Ernten (“Die Witterung war im Frühjahr, Sommer und Herbste regnerisch. Dieses hatte zur Folge, daß alle Früchte im Felde und die eingescheuerten verfaulten, naß wurden und verdarben.“)
Familie Busch konnte angesichts dieser Reihe von Missernten den Hof nicht mehr halten, am 31. 1. 1822 wurde er von Carl v. Hartmann ersteigert. [Der Verkauf des Ottenshofes]
Erst für 1823 meldet die Holtheimer Chronik wieder eine gute Ernte. Für Familie Busch vom Ottenshof zu spät.
 

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